In der Schweiz gilt eine generelle Tagfahrlichtpflicht für alle E-Bikes. Wie kompliziert ist es, ein älteres E-Mountainbike mit Licht auszustatten, das aus dem Bordnetz mit Strom gespiesen wird? easybiken hat einem Mechaniker beim Nachrüsten über die Schulter geschaut.
Mirco vom Bikecorner in Baar versucht am Bosch-Motor des 2017er KTM
E-Mountainbikes zu rütteln. Doch das Teil bewegt sich zunächst kein
bisschen, obwohl alle Schrauben entfernt wurden. «Jetzt nehm ich dann
den Hammer», sagt er mit einem Augenzwinkern. Doch nach einem weiteren
Ruck gibt der Rahmen den Motor plötzlich frei. Es ist ein aufwendiger
Umbau. Rund zwei Stunden ist Mirco am Arbeiten, bis alle Lichtkabel
sauber verlegt sind und der Motor der zweiten Bosch-Generation wieder
eingebaut ist.
Doch der Reihe nach:
1 Als erstes hat der Mechaniker in der Bosch-Software das Licht freigeschaltet. Das geht nur mittels PC und der autorisierten Händler-Software, die beim Licht mehrere Voreinstellungen zulässt.
2 Permanent aus, permanent ein oder Ein-Ausschalten des Lichts über die Lenkerarmatur. Als Standard ist der Strom auf den beiden Lichtausgängen am Motor ausgeschaltet.
3 Dann entfernt Mirco den Akku und die Blenden, die den Motor schützen.
4 Jetzt werden erstmals die Steckerbuchsen sichtbar, in die das Vorder- und das Rücklicht eingesteckt werden müssen. Dazu sind spezielle Bosch-Lichtkabel nötig, denn die Stecker haben eine spezielle Form, die Bosch vorgibt.
5 Weil die Lichtkabel durch das Innere des Rahmens gezogen werden sollen, muss in diesem Fall der Motor ganz ausgebaut werden. Das an sich ist keine Hexerei.
6 Kniffliger ist es, das Kabel durch das Innere des Rahmens zu fädeln.
7 Mirco behilft sich zunächst mit einem Schaltkabel, das er problemlos durch den Rahmen bekommt. Dann befestigt er mit einem Isolierband das Lichtkabel am Schaltkabel und zieht es durch den Rahmen.
8 Für den Busch & Müller-Schweinwerfer gibt es eine vorgefertigte Halterung, die die untere Schelle des Intuvia-Displays ersetzt. Eine saubere Sache also. Das Ganze wiederholt sich beim Rücklicht. Da ist die Montage aber nicht ganz so einfach, da die Kundin einen speziellen Gepäckträger verwendet.
Es gilt einiges zu beachten, will man die Arbeit selber
erledigen. Die spezialisierten Lichthersteller wie Lupine, Supernova und
Busch & Müller bieten die speziellen Anschlusskabel für jeden der
grossen Motorenhersteller wie Bosch, Brose, Yamaha, Shimano und
Panasonic. Doch damit alleine ist es nicht getan, denn die Motoren
liefern je nach Generation unterschiedliche Spannungen an die
Lichtausgänge. Bei den ersten E-Bikes waren es noch sechs Volt, damit
herkömmliche Fahrradbeleuchtungen kompatibel waren. In den letzten
Jahren hat jedoch ein Hersteller nach dem anderen auf 12 Volt erhöht,
die gleiche Spannung, die auch bei Auto und Motorrad gebräuchlich ist.
Um noch mehr Leistung aus den Scheinwerfern herauszukitzeln, bietet
Lupine mit dem SL X inzwischen sogar einen Scheinwerfer, der mit 36 bzw.
sogar 48 Volt betrieben werden kann, also der nominalen Spannung, mit
der die entsprechenden Motoren laufen. Das ermöglicht eine Leistung von
bis zu 36 Watt und eine Lichtausbeute von 2200 Lumen – das ist fast
gleich hell wie ein Autoscheinwerfer. Die teureren Varianten der Lampen
bieten neben einem energiesparenden Tagfahrlicht auch Abblendlicht und
Scheinwerfer.
Die andere gute Nachricht ist: Nicht bei allen Motorenherstellern
muss das Licht erst von einem Händler freigeschaltet werden. Bei Shimano
und Yamaha muss die Funktion aber umständlich in Untermenüs aktiviert
werden. Je nach Rahmenform und Einbaulage des Motors muss man diesen
auch nicht in jedem Fall ausbauen, um die Lichtkabel einziehen zu
können. Bei Shimano ist nicht mal ein spezielles Lichtkabel nötig, da
die Litzen direkt am (E8000-) Motor angeschraubt werden.
9 Mit der zunehmenden Integration sämtlicher Kabel auch durch Vorbau und Lenker, ziehen namhafte Hersteller gleich noch Lichtkabel mit ein. Damit können Scheinwerfer und Rücklicht im Nachhinein ohne grossen Aufwand nachgerüstet werden. Dennoch gibt es einige Stolpersteine. Ungeübten Schrauberinnen und Schraubern ist deshalb der Gang zum Fachmann dringend empfohlen.
Text und Fotos: Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 1/2022