Winterthur gilt schweizweit als Vorzeigestadt für den Veloverkehr. Velopublizist Urs Rosenbaum ist stolz auf seine Heimatstadt, kennt jedoch auch ihre problematischen Seiten. easybiken hat den Veloenthusiasten in seiner Stadt mit dem e-Bike begleitet.
Wenn jemand Winterthur aus der Veloperspektive kennt, dann ist das Urs Rosenbaum. Der 46-Jährige ist im Umland von Winti aufgewachsen, zog später ins Zentrum und ist treibende Kraft hinter dem «Velofrühling Winterthur». Das ist ein grosses Fest fürs Velo, das in diesem Jahr bereits in die 17. Runde geht.
Rosenbaum hat 14 Jahre als Journalist gearbeitet und fokussiert sich seit sechs Jahren auf Marktforschung und Kommunikation für die Velobranche. Er bewegt sich hauptsächlich mit einem seiner 15 Velos in der Stadt. Der Velopublizist hat sich für easybiken Zeit genommen und führt uns auf einem «Dailybread» Urban Bike einen halben Tag durch seine Heimatstadt. Wir treffen ihn am Bahnmeisterweg unweit vom Hauptbahnhof Winterthur und sind gleich etwas überfordert. Denn die Stelle ist ein unerwarteter Flaschenhals. Die Dichte an Velofahrenden und Zufussgehenden ist hoch und als ob die Mischzone nicht schon problematisch genug wäre, müssen wir uns auch noch an einem Gartenrestaurant vorbeizwängen: «Hier muss die Stadt nochmals über die Pläne», sagt Urs Rosenbaum. Denn dies sei eine wichtige Pendlerstrecke aus dem Tössquartier und in der heutigen Gestaltung einfach zu schwierig – und dies obwohl sie erst kürzlich saniert worden sei.
Schon etwas älter ist der Bahnhofplatz und die Busstation unter dem Pilzdach: «Die grösste Bausünde der letzten 30 Jahre», so das vernichtende Urteil von Rosenbaum. Dabei ist es weniger das futuristische Dach, das ihn stört, sondern das Fahrverbot für Velofahrende. Es dürfe doch einfach nicht sein, dass man den Hauptbahnhof auf dieser Seite der Geleise nur über einen grossen Umweg erreichen könne.
«Hier verteilt die Polizei regelmässig Bussen,» erzählt Rosenbaum und schüttelt den Kopf. Im vergangenen Jahr etwa auch während des Weihnachtsmarkts, als die Durchfahrt des Neumarktes für einen Monat gesperrt war. «Wo gibt`s denn sowas, dass eine bedeutsame Veloverkehrs-Route für einen Monat ohne Ersatz und Alternative gestrichen wird?»
Um ohne Irrweg in die verkehrsberuhigte Stadthausstrasse zu gelangen, müssen wir über den Bahnhofplatz – und dabei das Velo folglich schieben. Einen Block weiter biegen wir auf den besagten Neumarkt ein, dem grössten Platz innerhalb der Winterthurer Altstadt. Er ist in einem Bereich von ungefähr 30 auf 50 Meter mit Granitplatten eingefasst und betört mit seiner Grosszügigkeit.
Beim Ausgang zur stark befahrenen Technikumstrasse macht Rosenbaum dann aber gleich wieder auf eine neuralgische Stelle aufmerksam. Das Veloschild signalisiert eine Veloroute nach links und eine gerade aus. Rechts würde nach 20 Metern ein Busstreifen beginnen, auf dem auch ein Velosignet eingezeichnet ist. Sicher erreicht man diesen aber nur übers Trottoir. Auch diese kurze Strecke über den Gehweg sei als Bussenhotspot bekannt, so Rosenbaum.
Strenge gegenüber Velofahrenden
«Bei uns geht die Stadtpolizei etwas strenger gegen Velofahrende vor als in anderen Städten», sagt der Veloenthusiast. So zumindest fühle sich das für ihn an. So oder so: Die Winterthurer Stapo sei auch die erste in der Schweiz gewesen, die Geschwindigkeitskontrollen für E-Bike-Fahrende durchgeführt hat – auf einer abschüssigen Strasse.
Aber gilt Winterthur denn nicht schweizweit als Vorzeigestadt für den Veloverkehr? Hat Winti nicht erst kürzlich den Prix Velo für die in Sachen Velo beste Grossstadt der Schweiz gewonnen? Und hat das Tor zur Ostschweiz nicht einen Fahrradanteil von stolzen 15 Prozent am Gesamtverkehr? «Das stimmt natürlich alles», erwidert der Veloexperte. In den 90er-Jahren hätten die Verantwortlichen in Winti vieles richtig gemacht: Sie haben die Autobahn nicht ins Zentrum geführt, sondern um die Stadt herum. Zudem haben die Behörden hier schon früh die Vorzüge von Tempo 30 entdeckt. «Aber die Stadt hatte nie viel Geld und man war ja sowieso zuvorderst im schweizweiten Vergleich – also warum sollte man da vorwärtsmachen?» Jetzt müsse man aber allmählich wieder aufwachen, damit man nicht ins Mittelmass abdrifte. Die Benotung von 4,6 beim Prix Velo spreche für sich: «Das ist bloss knapp besser als genügend.»
Im Vergleich zu Zürich ist das Verkehrsklima in Winterthur allerdings recht entspannt: In den Mischzonen in der Altstadt kommt es kaum zu Konflikten mit den Zufussgehenden. Die Autofahrenden verhalten sich oft sehr rücksichtsvoll und es gibt viele verkehrsberuhigte Quartierstrassen, die nur für den Veloverkehr durchgängig befahrbar sind.
Es sind auch historische Aspekte, die Winterthur zur Velostadt werden liessen. ...
Den kompletten Bericht und das Fazit gibt es im Magazin easybiken zu lesen. Die Ausgabe 1/23 lässt sich online bestellen.
Die Route durch Winterthur ist auch bei Komoot zu finden.
Text: Andrea Freiermuth, Fotos: Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 1/2023