Bern wurde im Vorjahr von Pro Velo erneut mit dem Prix Velo ausgezeichnet und will sich in naher Zukunft zur «Velohauptstadt» entwickeln. Höchste Zeit, um sich auf einer Sightseeing-Tour mit dem E-Bike selber einen Eindruck von der Velotauglichkeit der Schweizer Kapitale zu verschaffen.
Wie fährt es sich als Zürcher Touristen mit den E-Bikes zu Berns Sehenswürdigkeiten? Wir starten rund zehn Kilometer ausserhalb der Schweizer Hauptstadt – im beschaulichen Oberried bei Niederscherli, das zur Gemeinde Köniz gehört. Im Weiler herrscht allerdings emsiges Treiben. Dort befindet sich Thömus’ «Bauernhof»: Thomas Binggeli und sein Team haben nach 14-jähriger Planungszeit den grössten Bike-Park der Schweiz realisiert. Gleich neben dem legendären Bauernhof, den Thömu 1991 von seinen Eltern übernommen und zu einem Veloparadies mit Werkstattschuppen, Verkaufs- und Testcenter seiner Bikes und E-Bikes umfunktioniert hat.
Es ist Mittagszeit Ende Mai und der erste warme Tag des Jahres nach einem verregneten, kalten Frühling. Auf den verschiedenen Sektoren des Bike-Parks wird eifrig trainiert. Wir aber setzen uns auf die reservierten ST3-Stromer, die man bei Thömus mieten und kaufen kann, und fahren los; vorbei an leuchtendgelben Rapsfeldern und blühenden Bäumen, in zügigem Tempo Richtung Gasel, Köniz in die Berner City. In Köniz ist End-, beziehungsweise Ausgangspunkt einer der drei Velohauptrouten, die in den letzten fünf Jahren in und um Bern realisiert wurden (siehe Kasten). Sie führt ins Zentrum der Hauptstadt. Wir fahren die Strecke nicht einfach durch, wie es die Pendler, Berufstätigen und Studierenden tun, sondern prüfen ihre Velotauglichkeit. In beide Fahrtrichtungen existieren breite Velostreifen und vielerorts ist es auch den Velos offiziell erlaubt, auf der Busspur zu fahren, was uns als Zürcher neidisch macht. Schon in Köniz drosseln Tempo-30er-Zonen die Hektik. Auch wir müssen schauen, dass wir mit unseren Speed-Pedelecs nicht zu schnell sind. Angenehm breite Kreisel anstelle von Kreuzungen mit Ampeln sorgen für guten Verkehrsfluss und Übersicht. Im Berner Liebefeldquartier wurde letztes Jahr die Velospur rechts (und nicht wie üblich links) um die Haltestelle Dübystrasse herumgeführt. Der Bus hält beziehungsweise überquert so also nicht mehr den Velostreifen und man kann auch hier ungehindert zufahren.
Velo-Offensive
Der Gemeinderat der Stadt Bern will den Veloanteil des Gesamtverkehrs bis 2030 auf 20% erhöhen. Das entspricht einer Verdoppelung gegenüber 2010 (CH-Durchschnitt: 8%). Bern soll auch zur Velohauptstadt werden. Dazu hat der Rat die «Velo-Offensive» lanciert. Diese ist zugleich Strategie und Programm für die Veloförderung der nächsten Jahre mit dem Ziel, eine sichere, durchgehende Velostrasseninfrastruktur zu schaffen. Die bisherigen Massnahmen bestehen aus einem Mix von Umgestaltungen (zum Beispiel Realisierung von Velohauptrouten, Veloumfahrung bei Bushaltestellen) sowie schnell umsetzbaren Sofortmassnahmen (zum Beispiel Verbreiterung oder Roteinfärbung von Radstreifen). Drei Velohauptrouten bestehen bereits. Die als erste von 2016 führt vom Hauptbahnhof Bern bis ins Wankdorf. Die zweite (2017/18) verbindet das Stadtzentrum mit Köniz. Ebenfalls seit 2016 in Betrieb ist die Velostrasse Beundenfeldstrasse-Militärstrasse; weitere Abschnitte dieser Route nach Ostermundigen wurden 2019/20 umgesetzt. Auf den Velohauptrouten wurden wo immer möglich Velostreifen oder -wege mit 2.50 m Breite gebaut. Zudem wurden die Lichtsignalanlagen nach Möglichkeit so gesteuert, dass diese mit dem Velo flüssig passiert werden können. (mf.)
Die komplette City-Tour Bern ist im Magazin easybiken nachzulesen. Die Ausgabe 2•2021 lässt sich online bestellen.
Text: Maja Fueter, Fotos: Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 2•2021