Das junge Luzerner StartUp Aureus Drive hat in kurzer Zeit eine beachtliche E-Bike-Modellpalette zu verblüffend günstigen Preisen geschaffen. Wir hatten Gelegenheit, das «Power» S-Pelec mit 1200 Wh-Akku zum Preis von Fr. 4490.– zu testen und waren angetan.
«Autsch!» Finger eingeklemmt beim Akkurausnehmen. Noch ungeschickter kann man sich kaum anstellen. Eigentlich ist das ein Kompliment an den Hersteller, wenn der Akku so satt sitzt. Zumal der Akku am Aureus ein echtes Monster ist. 1200 Wh kann er speichern. Das ist eine Menge Energie, die der Fahrer aber auch braucht, denn das «Power» schiebt an, wie es sich für ein S-Pedelec gehört. 45 km/h stehen da nicht nur im Prospekt, sondern geradeaus auch auf dem Tacho – und das bei überschaubarem Kraftaufwand.
Die erste Testfahrt führte nach Zürich Mitten in die City. 27 Kilometer aus dem Säuliamt mit dem Albispass als topographisches Haupthindernis. Bei tollem Wetter morgens um halb acht. Die beiden Aureus-Geschäftsführer Manuel Barroso und Sergio Tresch hatten nicht zu viel versprochen, als sie mir vom Konzept ihrer E-Bike-Schmiede erzählt haben. Der Nabenmotor schiebt vollkommen geräuschlos und sehr kräftig an mit 900 Watt Maximalleistung, wie der Tacho bescheinigt. Geradeaus pendelt die Leistung dann zwischen 500 bis 900 Watt, je nach Pedaldruck und Unterstützungsstufe. Und das, bis die letzten 10 Prozent Ladung erreicht werden; doch dazu später mehr.
40 Minuten später bin ich bereits beim Zürcher Hauptbahnhof. Die Strassen waren noch weitgehend menschenleer. Perfekte Verhältnisse, um während der Fahrt den Gedanken nachzuhängen. Kein Geräusch stört auf dem Aureus den meditativen Moment, den man auch als Flow bezeichnet. In der Steigung zum Albis von der flacheren und kürzeren Hausemer Seite her zeigt der Tacho noch immer 30 km/h. Auf dem Pass bläst eine unangenehm kühle Brise. Also schnell wieder runter nach Langnau. Die Bremsen sind mit 203er–Scheiben gut bestückt. Auch die blockierbare Federgabel und die zwei Zoll breiten Reifen geben sich keine Blösse.
Abends auf dem Heimweg lerne ich erstmals den Reserve-Modus kennen. Bis zehn Prozent Akku-Restladung schiebt das Aureus mit voller Kraft an. Doch dann fällt die Unterstützung auf 250 Watt und man hat das Gefühl gegen eine Wand zu fahren. Von einem Pedaltritt zum nächsten spürt man den Kraftunterschied zwischen E-Bike 25 und E-Bike 45. Mehr als 25 bis 30 km/h sind mit dieser Unterstützung kaum mehr drin. Es empfiehlt sich also, stets gut zu schauen, dass der Akku möglichst voll ist.
Kommentar
Es gibt wenig, das sich noch verbessern liesse. Das Schutzblech vorne könnte von mir aus oben wie unten noch länger sein, damit das Spritzwasser bei nasser Strasse nicht so weit hochspritzt. Als Velofahrer fast mehr gestört hat mich aber der unbegründet grosse Q-Faktor; also die Distanz, wie weit die Pedalen seitlich vom Rahmen entfernt stehen. Aureus verschenkt hier links und rechts knapp 50 Millimeter, die sich mit einer schmaleren Pedalwelle und geraderen Kurbeln ohne Nachteile einsparen liessen. Das käme der Tretergonomie entgegen und man sässe auf dem Aureus Power nicht so breitbeinig wie Luky Luke auf Jolly Jumper. Mit dem sehr reellen Preis von 4490 Franken darf man das Aureus Power aber guten Gewissens als «preiswert» bezeichnen.
Aureus Drive
Der Bericht stammt aus dem Magazin easybiken, Ausgabe 1/2023 und beinhaltet weitere Informationen über die Testfahrt in den Wintermonaten.
Text und Fotos: Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 1/2023