Mit dem «Lumen» hat Scott alle überrascht. Nur knapp 16 kg schwer, wird der jüngste E-MTB-Spross der Romands vom neuen TQ-50-Leichtmotor angetrieben und vereint alle Technologien auf sich, mit denen das Unternehmen zuletzt im E-Bike-Bau von sich reden gemacht hat.
Ein echtes Meisterstück der Ingenieurskunst hat Scott mit dem «Lumen» (lateinisch für Licht, Leuchte) auf die Räder gestellt. Entwickelt in einer Zeit, in der vor allem Home-Office angesagt war und sich wegen der Corona-Turbulenzen in der Branche die Mär verbreitete, es gebe wegen der Produktions- und Lieferschwierigkeiten wahrscheinlich zum Jahreswechsel keine Modellwechsel. Von wegen. Die grossen Unternehmen in der Fahrradbranche zündeten gegen Jahresende ein Neuheitenfeuerwerk, dass man nur noch staunen konnte.
Die Scott-Ingenieure scheinen den Ausgleich zu ihrer Home-Office-Zeit vor allem auf den Biketrails gesucht zu haben. Denn das Scott Lumen fährt sich wie eine Eins. Man könnte jetzt mäkeln, dass der neue TQ-Motor «nur» 50 Newtonmeter Drehmoment an die Tretlagerwelle abgibt, so, wie es mein Sohn getan hat, als er das erste Mal auf dem Lumen pedalte. Deswegen konnte ich ihn mit dem auf dem Papier fast doppelt so drehmomentstarken Shimano EP8-Antrieb dennoch nicht abschütteln. Weil 50 Nm eben eine ganze Menge sind. Mehr jedenfalls als bei anderen Leichtantrieben. Oder etwa gleich viel, wie Bosch bei ihrem ersten E-Bike-Antrieb vor zwölf Jahren geliefert hat. In Kombination mit einem leichten E-Bike und einem leichten Fahrer reicht das alleweil, damit die schwere Konkurrenz nicht einfach so davonzieht.
Im Vergleich zum vor einem Jahr getesteten, wuchtigen Scott Patron mit Bosch-CX-Performance-Antrieb und 750 Wattstunden-Akku wirkt das Lumen wie ein Hänfling, so filigran und leicht ist es. Dabei besitzt es dieselbe Federungstechnologie: Auch beim Lumen ist die Hinterradfederung im Rahmen integriert und lässt sich über eine Serviceklappe beim Tretlager einstellen. Ebenso der nur faustgrosse TQ-Motor und der 360 Wh grosse Hauptakku im Unterrohr. Mit dem satt sitzenden Zusatzakku auf dem Unterrohr wächst die Autonomie um weitere 160 Wh. Sehr praktisch kann der zum Laden auch am Bike bleiben. Über die Ladebuchse am Range Extender lädt sich auch der Hauptakku – sofern die beiden Stromspender verbunden sind.
Die mehrteilige Anzeige auf dem Oberrohr zeigt dann, woher der Saft kommt. Oder die Leistung: oben die Kraftzugabe des Motors, unten die des Fahrers. Allzu gedankenverloren sollte man die Anzeige unterwegs aber nicht beobachten. Denn dann wird man womöglich überholt, wie es dem Schreibenden passiert ist. «E-Biken ist das Geilste!», sprudelte es im Verlaufe des kurzen Gesprächs plötzlich aus dem älteren Herrn heraus, nachdem ich ihn eingeholt hatte.
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Kommentar
Scott hat mit dem Lumen eRide 900 SL das Maximum des technisch Machbaren abgeliefert, was derzeit in Sachen Systemintegration und verantwortungsvollem Leichtbau möglich ist. Ein echtes Meisterstück. Mit 16000 Franken dringt Scott allerdings auch bezüglich Preis in neue Sphären vor. Jetzt kann man über Sinn oder Unsinn solcher Exzesse lamentieren. Es geht aber auch smarter: Die Basis des Leicht-E-Bikes gibt‘s als Lumen eRide 910 auch etwas schwerer ausgerüstet zum Preis von 6899 Franken.
Den kompletten Testbericht gibt es im Magazin easybiken. Die Ausgabe 1/23 lässt sich online bestellen.
Text: Martin Platter, Fotos: Michal Cerveny, Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 1/2023