Im Trend: «Light-E-Mountenbike»

Eine neue Mountainbike-Gattung liegt im Trend. Das Light-E-MTB tritt an, die Lücke zwischen unmotorisiertem Mountainbike und Full-Size-E-MTB zu schliessen. Arne Bischoff vom pressedienst-fahrrad erklärt die Besonderheiten und zeigt, welche Modelle zum Beginn der Mountainbike-Saison in den Handel rollen.

E-Bike-Pionier Flyer bringt das neue E-Mountainbike «Uproc SL:X» auf den Markt. Das Bike zeichnet sich durch seinen leichten Carbonrahmen und den Bosch Performance-Line-SX-Motor aus. Der Akku hat eine Größe von mindestens 400 Wattstunden. Insgesamt wiegt das Rad lediglich 18 Kilogramm. Foto: © www.flyer-bikes.com / pd-f
E-Bike-Pionier Flyer bringt das neue E-Mountainbike «Uproc SL:X» auf den Markt. Das Bike zeichnet sich durch seinen leichten Carbonrahmen und den Bosch Performance-Line-SX-Motor aus. Der Akku hat eine Größe von mindestens 400 Wattstunden. Insgesamt wiegt das Rad lediglich 18 Kilogramm. Foto: © www.flyer-bikes.com / pd-f
Leichtes City-E-Bike für den Alltag: Das bewusst puristisch gehaltene Design des «Culture Mixte» unterstreicht Riese & Müller mit einem wartungsarmen Carbonriemenantrieb von Gates, dem leichten, leistungsstarken Motor Performance Line SX von Bosch, der für ein natürliches Fahrgefühl sorgen soll, sowie dem im Rahmen integrierten Akku. Foto: © www.pd-f.de / Florian Schuh
Leichtes City-E-Bike für den Alltag: Das bewusst puristisch gehaltene Design des «Culture Mixte» unterstreicht Riese & Müller mit einem wartungsarmen Carbonriemenantrieb von Gates, dem leichten, leistungsstarken Motor Performance Line SX von Bosch, der für ein natürliches Fahrgefühl sorgen soll, sowie dem im Rahmen integrierten Akku. Foto: © www.pd-f.de / Florian Schuh

Ein E-Mountainbike mit 16 Kilogramm? Was vor ein paar Jahren noch utopisch klang, ist mittlerweile im Trend. Immer mehr Velohersteller bringen zum Saisonbeginn 2024 sogenannte Light-E-Mountainbikes auf den Markt. Der Name soll dabei Programm sein: E-Mountainbikes mit einem im Vergleich zum bisher dominierenden Full-Size-E-MTB deutlich verringerten Gewicht von unter 20 Kilogramm. Die leichtesten Vertreter der neuen Gattung sind mit rund 16 Kilogramm Gewicht kaum noch schwerer als viele vollgefederte Mountainbikes ohne Motorunterstützung und bis zu zehn Kilogramm leichter als gewöhnliche E- Mountainbikes. Möglich wird das Abspecken durch Verzicht.

Die im Light-Sektor eingesetzten Antriebe leisten in der Regel ein geringeres maximales Drehmoment von 50 bis 60 Newtonmetern (Nm). Ausnahmen bestätigen die Regel. Die meiste Kraft steht bei sportlich hohen Trittfrequenzen zur Verfügung. Diese Charakteristik ähnelt nicht nur dem Fahrverhalten sportlicher FahrerInnen, die ohne Motorunterstützung unterwegs sind, sie senkt auch den Energieverbrauch. Die eingesetzten Akkus stellen mit zwischen 300 und 500 Wattstunden (Wh) genug Reichweite auch für mittlere Touren bereit. Zum Vergleich: Full-Size-E-MTBs haben Motoren mit einem maximalen Drehmoment von 80 bis 95 Newtonmetern und Akku-Kapazitäten von 600 Wattstunden aufwärts.

Mehr Fahrspass mit Zusatz-Akku: Bei Topmodellen von Flyer gehört ein «Range Extender» zum Lieferumfang und erweitert so auf Wunsch die Akku-Kapazität um 250 auf 650 Wattstunden. Foto: © www.flyer-bikes.com / pd-f
Mehr Fahrspass mit Zusatz-Akku: Bei Topmodellen von Flyer gehört ein «Range Extender» zum Lieferumfang und erweitert so auf Wunsch die Akku-Kapazität um 250 auf 650 Wattstunden. Foto: © www.flyer-bikes.com / pd-f

Die meisten Hersteller positionieren ihre Light-E-MTBs deshalb als abfahrtsfreudige, vollgefederte Allrounder mit Federwegen zwischen 130 und 160 Millimetern. Für längere Touren gibt es zudem die Möglichkeit, Akku-Kapazität und Reichweite mit einem «Range Extender» genannten Zweit-Akku zu erweitern. Dieser hat zum Beispiel die Form einer Trinkflasche und wird bei Bedarf einfach an das Rad angestöpselt – wird der Range-Extender nicht genutzt, kann an seiner Stelle eine Trinkflasche montiert werden. Obwohl sich aktuell vier Motorenhersteller auf dem Markt für die besonders leichten Bikes tummeln, gehen sie nicht nur in Sachen Leistung, Akku-Kapazität und Range Extender ähnliche Wege. Zum guten Ton gehört auch die Möglichkeit, die Leistungsentfaltung der Antriebe via App auf die eigenen Bedürfnisse anzupassen, mittels umfangreicher Verbindungsfähigkeiten, zum Beispiel Verknüpfung des Motors mit Leistungsmessungsgeräten über ANT+ oder Bluetooth. Einig sind sich die verschiedenen Hersteller auch beim Bedienkonzept. Dezent ins Oberrohr integrierte Displays und kompakte Lenkerfernbedienungen fügen sich dezent ins Gesamtbild ein.

Fahrfreude ist nicht messbar
Von diesen Massnahmen versprechen die Bikehersteller sich und ihren KundInnen vor allem eins: mehr Fahrfreude. Das deutlich geringere Gewicht soll Agilität und Handling verbessern, während der Antrieb genau so viel Leistung bereitstellt, dass bei sportlicher Fahrweise auch bergauf viel Fahrspass geboten wird. «Fahrspass kann man nicht messen, nur erleben. Fahrspass hängt auch nicht immer von Zahlen oder Daten ab. Mehr heisst nicht immer mehr!», ist Philipp Martin, Marketing-Manager bei Orbea, überzeugt. Der baskische Hersteller ist mit seiner Modellserie «Rise» einer der Wegbereiter der noch jungen Gattung. Brandneu ist die zweite Generation des Rise, die auf dem Bikefestival Riva ihre Premiere feiert.

Den Antrieb auf den Kopf gestellt
Ebenfalls sehr früh auf dem Light-E-MTB-Markt war Haibike, selbst E-MTB-Anbieter der allerersten Stunde. Die Franken haben mit dem «Lyke» ein Light-E-MTB in drei Ausstattungsvarianten im Programm. «Das Lyke rundet unser umfangreiches E-MTB-Angebot um ein Modell für sportlich ambitionierte Fahrerinnen und Fahrer ab. Es ist optisch und in Sachen Gewicht kaum noch von einem unmotorisierten Mountainbike zu unterscheiden und optimal für Menschen, die Wert auf ein schlankes Rahmendesign legen, aber nicht auf Unterstützung verzichten wollen», sagt Global Brand Manager Matthias Rückerl den Newcomer.

Das Stevens «E‑Maverick» schlägt als Light-E-Mountainbike die Brücke zwischen konventionellem, agilem Mountainbike und durchzugsstarkem Full-Size-E-Mountainbike. Trotz Motorunterstützung, 140 Millimetern Federweg, 29-Zoll-Bereifung, trailtauglicher Ausstattung mit leichtem Carbonlaufradsatz und elektronischer Schaltung bringt das Topmodell mit dem Namenszusatz «AM 9.4.3» nur 16,5 Kilogramm auf die Waage. Foto: © www.stevensbikes.de / pd-f
Das Stevens «E‑Maverick» schlägt als Light-E-Mountainbike die Brücke zwischen konventionellem, agilem Mountainbike und durchzugsstarkem Full-Size-E-Mountainbike. Trotz Motorunterstützung, 140 Millimetern Federweg, 29-Zoll-Bereifung, trailtauglicher Ausstattung mit leichtem Carbonlaufradsatz und elektronischer Schaltung bringt das Topmodell mit dem Namenszusatz «AM 9.4.3» nur 16,5 Kilogramm auf die Waage. Foto: © www.stevensbikes.de / pd-f

Leichter E-MTB-Antrieb
Die Hamburger Sportradprofis von Stevens bieten mit ihrer «E-Maverick»-Plattform gleich zwei verschiedene Light-Modelle in drei Ausstattungsvarianten an. Das «E-Maverick AM» versteht sich mit einem Federweg von 140 Millimetern und einem Gewicht ab 16,5 Kilogramm als vielseitiger Allrounder, während die «ED-Version» mit 160 Millimetern Federweg, potenteren Federelementen und robusterer Ausstattung sich an die abfahrtslastigere Enduro-Disziplin wendet. Ausflüge in den Bikepark oder Renneinsätzein der E-Enduro-Serie inbegriffen. Mit einem Gewicht von unter 1,9 Kilogramm ist er laut Herstellerangaben der aktuell leichteste E-MTB-Antrieb auf dem Markt. Volker Dohrmann, Brand Manager bei Stevens, sagt dazu: «Sportlichkeit ist unser Markenkern. Die neuen Light- Assist-Modelle im MTB- und Gravelbereich verschieben die Benchmark in Sachen Fahrdynamik.»

Leichtgewichtige Weltpremiere
E-Bike-Pionier Flyer zeigt ebenfalls auf dem Bike-Festival in Riva erstmals sein «Uproc SL:X» genanntes E-Trailbike. Mit einem Gewicht von unter 18 Kilogramm bei einem Federweg von 130 Millimetern setzt Flyer auf den SX-Antrieb von Marktführer Bosch – bei den Topmodellen gehört der Range Extender zum Lieferumfang und erweitert so auf Wunsch die Akku-Kapazität um 250 auf 650 Wattstunden. Anja Knaus, Senior-PR-Managerin beim schweizerischen Hersteller, sagt: «Mit dem Uproc SL:X vergisst man, dass man ein E-MTB fährt, so agil ist das Fahrverhalten. Nur wenn es bergauf geht, bemerkt man den Motor – und freut sich.» Weniger ist mehr, das ist auch das Motto beim relativ geringen Federweg. Er soll mit einer sportlichen Kinematik der aktiven Charakteristik des Bikes Rechnung tragen und gleichermassen für die schnelle Hausrunde wie für den anspruchsvollen Alpen- Einsatz funktionieren.

Ob Schnelligkeit, anspruchsvoller Untergrund oder Strapazierfähigkeit: Eine grosse Auswahl an MTB-Reifen bietet der Hersteller Schwalbe. Foto: © www.schwalbe.com / pd-f
Ob Schnelligkeit, anspruchsvoller Untergrund oder Strapazierfähigkeit: Eine grosse Auswahl an MTB-Reifen bietet der Hersteller Schwalbe. Foto: © www.schwalbe.com / pd-f

Kein spezifisches Zubehör nötig
Spezifisches Light-E-MTB-Zubehör scheint es trotz des Booms erst einmal nicht zu geben. Reifenhersteller Schwalbe empfiehlt, die Reifen vor allem nach dem Anwendungsbereich des Rades zu wählen und zwar unabhängig davon, ob es sich um ein motorisiertes oder unmotorisiertes Bike handele. Ausserdem sehe man ja, dass es sehr unterschiedliche Light-E-MTBs gebe, so Steffen Jüngst, PR-Manager bei Schwalbe: «Auf einem Trailbike sind zum Beispiel Nobby Nic und Wicked Will eine zum Einsatzbereich des Bikes passende Reifenkombi, während ein Enduro eine ganz andere Ausrichtung hat. Hier sind Magic Mary und Big Betty die erste Wahl aus unserem Sortiment.» Die meisten Mountainbikereifen des oberbergischen Herstellers sind mit dem Kürzel «E-25» oder «E-50» für die Nutzung am E-Bike beziehungsweise S-Pedelec freigegeben.

Ähnlich sieht es bei den Kontaktpunkten wie Griffen und Sattel aus. Lothar Schiffner, Presseverantwortlicher beim Koblenzer Ergonomiespezialisten Ergon, empfiehlt ebenfalls Griffe und Sattel gemäss dem Einsatzbereich des Rades zu wählen, weniger nach der Antriebsgattung, und nicht auf Teufel komm raus Gewicht zu sparen. «Für die meisten Light-E-Mountainbikes sollten unsere Allmountain- oder Enduro-Griffe oder speziellen E-MTB-Sättel eine gute Wahl sein.»

Arne Bischoff Journalist, pressedienst-fahrrad
Arne Bischoff
Journalist, pressedienst-fahrrad

Kommentar: Die neuen Allrounder
Bereits seit einigen Jahren werden mehr E-Mountainbikes verkauft als «Bio»-Mountainbikes, also Räder ohne Elektromotor. Das Light-E-MTB könnte diesen Trend weiter verstärken und zum neuen Standard beim sportlichen Geländesportrad ausserhalb der klassischen Radsportdisziplinen avancieren. Wem sich bisher E-Mountainbikes mit ihrem brachialen Turboschub und hohem Gewicht zu sehr nach Motocross-Motorrad anfühlten, wer sich aber trotzdem Motorunterstützung wünscht, dürfte hier fündig werden. Beide Segmente, Light- und Full-Size-E-MTB ersetzen sich nicht, sondern ergänzen sich. Das Argument, E-MTB-Fahren sei kein Sport, ist ohnehin längst obsolet. Wer will, kann sich auch auf dem E-MTB vollkommen verausgaben. Der Motor gibt dann nur das Seine dazu und katapultiert die Leistungsfähigkeit von Mensch und Maschine nahe an das Niveau von ProfisportlerInnen. Auf diese Option zu verzichten, wenn sie mit so wenig Kompromissen verbunden ist wie beim Light-E-MTB, könnte in Zukunft zunehmend zur Minderheitenwahl werden. Für mich persönlich in jedem Fall: Light-E-MTBs rücken weniger technische Daten in den Mittelpunkt und eignen sich nicht fürs Superlativmarketing. Dafür bringen sie etwas zurück, was über Drehmoment- und Maximalkapazitätswettkämpfe in Vergessenheit zu geraten drohte: den Fahrspass.

Mehr Trends und Informationen über E-Bikes gibt es in der Ausgabe 1/24 im Magazin easybiken.

Text und Kommentar: Arne Bischoff, pressedienst-fahrrad

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