Der bewusste Umgang mit Ressourcen ist auch in der Bikebranche ein wichtiges Thema. Recycling spielt eine immer grössere Rolle und es gibt stets neue Ideen. Das zeigen aktuelle Beispiele bei den Herstellern Schwalbe, Vaude, Brose und Fahrer Berlin. In Kurzinterviews werden die Hintergründe erläutert.
Fahrradreifen und -schläuche waren lange Jahre Abfallprodukte, die in ihrer Herstellung allerdings viel Energie verbrauchten. Bis Hersteller Schwalbe Recycling-Verfahren entwickelte. Felix Jahn, Head of Corporate Social Responsibility, erklärt, worum es geht.
Welche Recycling-Möglichkeiten bietet Ihr Unternehmen an?
Felix Jahn: Schwalbe bietet seit 2015 ein Schlauchrecycling an, mit dem wir mittlerweile über 8,5 Millionen Schläuche recycelt haben. Jeder neue Schwalbe-Standardschlauch besteht aktuell bereits zu 20 Prozent aus recyceltem Material. Zudem haben wir gemeinsam mit Pyrum Innovations und der Technischen Hochschule Köln ein Verfahren entwickelt, um auch das Material von alten Fahrradreifen wieder nutzbar zu machen. Im vergangenen Jahr haben wir unser Reifenrecycling auf der Eurobike offiziell gestartet, in diesem Jahr stellen wir zur Messe den ersten Fahrradreifen vor, der auf das recycelte Material aus gebrauchten Reifen zurückgreift.
Wie funktioniert der Kreislauf beziehungsweise eher die Kreisläufe?
Beim Schlauchrecycling können wir den recycelten Butylkautschuk ohne Qualitätsverlust wieder in neuen Schläuchen einsetzen. Dafür wurde ein Devulkanisationsverfahren entwickelt, das in unserem Werk in Indonesien angewandt wird. Da die Herstellung von neuem Butylkautschuk sehr aufwändig ist, sparen wir mit dem Verfahren rund 80 Prozent Energie ein.
Beim Reifenrecycling wird der Reifen zuerst in seine Bestandteile zerlegt und anschliessend durch ein Pyrolyseverfahren in Sekundärrohstoffe umgewandelt. Den dabei entstehenden Recycling-Russ können wir für die Herstellung neuer Reifen nutzen. Dieses Verfahren produziert keinerlei Abfall und spart 80 Prozent CO2 gegenüber der bisher üblichen Verbrennung.
Wie kann man persönlich den Kreislauf unterstützen?
Ganz einfach: Alle Radfahrenden können ihre gebrauchten Schläuche oder Reifen – egal, ob von Schwalbe oder einem anderen Hersteller – im Fachhandel abgeben, statt sie im Restmüll zu entsorgen. Die Produkte werden dann von uns abgeholt und dem Kreislauf zugeführt.
Schwalbe
Auch beim Textil- und
Rucksackhersteller Vaude steht das Thema Recycling hoch im Kurs.
Benedikt Tröster, Pressesprecher für den Bike-Bereich, erklärt, welche
Recycling-Verfahren mittlerweile bei der herstellung neuer Mode zum Zuge
kommen.
Welche Recycling-Möglichkeiten bietet Ihr Unternehmen an?
Benedikt
Tröster: Die Kreislaufwirtschaft ist für uns ein wichtiger Schritt in
eine klimafreundlichere und emissionsärmere Zukunft und somit eine
wichtige Säule unserer Unternehmensstrategie. Wir arbeiten darauf hin,
dass wir bis 2024 in 90 Prozent unserer Produkte einen Anteil von
recycelten oder biobasierten Materialien von mehr als 50 Prozent haben.
Dafür nutzen wir verschiedene Recyclingverfahren, um kreislauffähige
Produkte zu erarbeiten. Wir nutzen beispielsweise
Kunststoffverpackungen, PET-Flaschen, Fischernetze oder auch Altreifen,
um daraus Kleidung oder Rucksäcke zu fertigen.
Wie funktioniert der Kreislauf?
Man
muss zwischen mechanischen und chemischen Verfahren unterscheiden. Beim
mechanischen Recycling wird das gebrauchte, sortenreine Material
zerkleinert, gereinigt und die Kunststoffe neu eingeschmolzen. So können
aus PET-Getränkeflaschen neue Granulate für Polyesterfasern werden, die
wir für die Füllung von Jacken und Schlafsäcken oder neuen
Kleidungsstücken verwenden. Beim chemischen Recycling wird bei
verschiedenen Recyclingtechnologien das Material in seine Moleküle
zerlegt. Hier können Materialien wie Fischernetze, Altreifen oder auch
andere Kunststoffe wieder aufbereitet werden. Das neue Material ist
hochwertiger als beim mechanischen Recycling. Das wirkt sich auf die
Langlebigkeit und Qualität der Produkte aus.
Wie kann man persönlich den Kreislauf unterstützen?
Indem
man gezielt darauf achtet, welche Produkte man kauft und wo diese
herkommen. Unsere aus recycelten Materialien hergestellten Produkte
helfen, das Abfallproblem zu lösen. Gerade in der Modebranche gibt es
allerdings auch Anbieter, die einen anderen Weg gehen und mehr Abfall
produzieren. Konsument:innen haben am Ende die Möglichkeit, durch ihr
Kaufverhalten die Entwicklung mitzubestimmen.
Vaude
Brose
bietet als erster E-Bike-Antriebshersteller ein spezielles
Recyclingprogramm für seine Antriebe an. Wie das Remanufacturing
funktioniert, erklärt Vincent Bahar, Projektleiter für Remanufacturing
bei Brose Mikromobilität.
Welche Recycling-Möglichkeiten bietet Ihr Unternehmen an?
Vincent
Bahar: Als erster E-Bike-Antriebshersteller bieten wir ein Konzept an,
das es uns ermöglicht, aus alten Antrieben einzelne Baugruppen bzw.
Komponenten wieder nutzbar zu machen. Bei unserem
Remanufacturing-Programm werden im Vergleich zur Verwendung von
Neuteilen mindestens 21 Kilogramm CO2 eingespart – und das pro Antrieb.
Damit setzen wir neue Massstäbe für eine umweltfreundliche Mobilität.
Wie funktioniert der Kreislauf?
Nicht
jedes Teil im Antrieb kommt für eine Wiederaufbereitung in Frage. Wir
nutzen die Möglichkeit bei Elektronikbauteilen, Signalgeberscheiben,
Drehmomentsensoren und Steckerbuchsen. Nach dem Ausbau werden die Teile
geprüft und gründlich gereinigt, mechanische Komponenten kommen dafür
beispielsweise in eine eigene Waschanlage. Anschliessend findet nochmals
eine intensive Prüfung statt. Sollten die Teile alle Tests bestanden
haben, bauen wir mit den noch fehlenden Bauteilen einen
Remanufacturing-Antrieb, der in puncto Haltbarkeit und Qualität einem
komplett neuen Motor in nichts nachsteht. Dieses Verfahren ist für
unsere Motoren der Mag- und Alu-Serie anwendbar.
Wie kann man persönlich den Kreislauf unterstützen?
Sollte
das E-Bike einen Defekt haben oder nicht mehr gewünscht sein, sollte
man es nicht in der Garage stehen lassen oder auf dem Wertstoffhof
entsorgen, sondern im Fachhandel abgeben. Hier werden dann die
entsprechenden Schritte eingeleitet.
Fahrer
Berlin fertigt Taschen, Träger und Mode-Accessoires für Radfahrende –
und nutzt dabei Recycling-Materialien. Wie das funktioniert, erklärt
Geschäftsführer Philipp Elsner-Krause.
Welche Recycling-Möglichkeiten bietet Ihr Unternehmen an?
Philipp
Elsner-Krause: Die Philosophie von Fahrer Berlin basiert auf der Idee
von Recycling-Produkten. Unsere ersten Produkte waren Hosenbänder aus
alten Lkw-Planen. Diese Idee verfolgen wir bis heute, wo es möglich ist.
Zusätzlich setzen wir auf weitere Recycling-Materialien. Bei der
Herstellung unserer Green-Line-Produkte verwenden wir Neumaterialien auf
recycelter Grundlage. Seit 2017 befassen wir uns dafür verstärkt mit
der Verarbeitung von recyceltem Kunststoff.
Wie funktioniert der Kreislauf?
Das
Material kommt aus alten PET-Flaschen, die zu Pellets verarbeitet
werden, aus denen wiederum Fasern gezogen werden. Diese Fasern werden zu
einem Garn gesponnen, aus dem letztendlich der Stoff gewebt wird. Der
Stoff wird anschliessend gefärbt und PU-beschichtet. Die Vorteile liegen
auf der Hand: Es entsteht weniger Müll und Ressourcen werden geschont.
Ausserdem sind die gewonnenen Fasern äusserst robust, wasserabweisend und
bringen eine hohe UV-Beständigkeit mit – gute Voraussetzungen für
langlebiges Fahrradzubehör.
Wie kann man persönlich das Recycling unterstützen?
Wir
bieten für Firmen, Vereinen oder auch Privatpersonen Wunschprodukte aus
nachhaltigen Materialien an. Zum Beispiel können aus alten Werbebannern
personalisierte Taschen werden. Diese kreativen Unikate sind wiederum
als Werbeträger oder Werbegeschenke zu nutzen, vermeiden Abfall und
schonen Ressourcen. Wie das in der Praxis funktionieren kann, haben wir
gerade mit dem Taschenhersteller Ortlieb erarbeitet: Produktionsabfälle
von Ortlieb werden in unseren Werkstätten zu Hosenbändern verarbeitet,
die Ortlieb als Accessoires verkauft.
Fahrer Berlin
Interviews: Thomas Geisler | pressedienst-fahrrad.de