Der Rundgang auf der Eurobike, die erstmals Mitte Juli in der deutschen Finanzmetropole Frankfurt am Main stattfand, steht sinnbildlich für die zuletzt explosionsartige Entwicklung der Fahrradbranche. Auffällig war die grosse Anzahl neuer Motoren- und Lastenradanbieter.
Jahrzehntelang hatte die Leitmesse fürs muskelgetriebene Zweirad auf 80‘000 Quadratmetern im beschaulichen Friedrichshafen am Bodensee stattgefunden und war bis zur letzten normalen Durchführung 2019 ebenso regelmässig aus allen Nähten geplatzt – obschon bereits zu diesem Zeitpunkt immer mehr namhafte Hersteller der Messe die kalte Schulter zeigten. Dann kam die Corona-Krise. Sie offenbarte auch der weniger veloaffinen Bevölkerung das enorme Potenzial des Fahrrads als virenresistentes Transportmittel in urbanen Räumen und als Fluchtfahrzeug für bewegungshungrige Eingesperrte und befeuerte damit noch zusätzlich den ohnehin schon gut laufenden Run Richtung E-Bike, Kinder- und Sportfahrrad sowie Mountainbike.
Auf der Eurobike in Frankfurt präsentierte sich die internationale Fahrradbranche während fünf Tagen auf 140‘000 Quadratmetern oder umgerechnet 20 Fussballfeldern. Interessant ist auch der Wandel, wie das Fahrrad von den Medien und der Politik inzwischen wahrgenommen wird – insbesondere in Deutschland, dem Autoland schlechthin. Die Messe Frankfurt führte bis 2019 im Zweijahresrhythmus die internationale Automobil-Ausstellung (IAA) durch. Zuletzt war es jedoch im Windschatten von Dieselskandalen und der aufgeheizten Klimadiskussion zu Demonstrationen und Sitzstreiks im Rahmen der IAA gekommen. Eine Neuausrichtung wurde unausweichlich. Der Name wurde in «IAA Mobility» geändert, die Ausstellung um weitere Mobilitätsträger wie Fahrräder, E-Bikes und E-Scooter diversifiziert und der Austragungsort 2021 nach München verlegt.
Einheitlicher Grundtenor zugunsten des Fahrrads
Hier wie dort ist der Grundtenor – insbesondere in der Politik – unüberhörbar: Das Fahrrad ist nicht mehr nur vernachlässigbares Fortbewegungsmittel einiger weniger alternativer Freaks, sondern ein ernstzunehmendes Transportmittel, das seinen Beitrag leisten kann, um die Energie- und Mobilitätswende zu schaffen, Städte wieder lebenswerter zu machen und den Klimawandel zu bremsen. Immer mehr Tourismusregionen entdecken dank dem E-Mountainbike das enorme Potenzial des Sommertourismus.
Hierzulande markierte vor allem die wuchtige Annahme der Bundesabstimmung zum Veloweggesetz 2018 einen wichtigen Meilenstein in der Veloförderung. Bis zur definitiven Verabschiedung durch Parlament und Bundesrat vergingen danach zwar nochmals mehr als drei Jahre. Dafür sind die Kantone nun in den kommenden 20 Jahren in der Pflicht, Velowege – auch offroad – verbindlich zu planen und für ein zusammenhängendes und sicheres Velowegnetz zu sorgen. Studien haben nämlich schon seit geraumer Zeit darauf hingewiesen, dass eine fehlende oder unsichere Fahrradinfrastruktur der Hauptgrund ist, der die Menschen vom Radfahren abhält.
Politischer Sinneswandel
An der Eurobike wurde der politische Sinneswandel und die Chancen, die das Fahrrad bietet, in mehreren, teils hochkarätig besetzten Podiumsgesprächen erörtert. «Das E-Bike als Game-Changer» titelte beispielsweise eine Gesprächsrunde vor vollen Publikumsrängen, die vom deutschen Zweiradindustrieverband, ZIV, und dem europäischen Branchenverband Conebi ogranisiert wurde. In der Runde sassen Claus Fleischer, Geschäftsführer von Bosch E-Bike-Systems, Dr. Sandra Wolf, Geschäftsführerin des deutschen Radherstellers Riese & Müller, David Jamin, Direktor der Manufacture de Française, Gonzalo Gracia de Salazar, globaler Verkaufsmanager des spanischen Radherstellers Orbea, Frank Peiffer, Vizepräsident von Shimano Europa und April Marshke, Leiterin des E-Bike-Geschäfts bei US-Hersteller Specialized. Als Intro wurde die Europaabgeordnete Anna Duparnay-Grunenberg mittels Videoübertragung auf die Grossleinwand geschaltet. Sie sagte, dass man im Europaparlament dabeisei, das Fahrrad als ernstzunehmende Mobilitätsalternative zu etablieren. Demnächst werde die EU eine Velostrategie verabschieden, die in Bezug auf Gesundheitsförderung und Infrastruktur positive Auswirkungen in den Mitgliedsländern entfalten werde.
Den kompletten Bericht mit weiteren Neuheiten gibt es im Magazin easybiken. Die Ausgabe 2/22 lässt sich online bestellen.
Scott neu mit Mahle X20-Motor
«Leichter geht‘s nicht», titelten wir in easybiken 1-21 nach dem überzeugenden Fahrtest des Scott Addict eRide RC10 mit Mahle X35-Motor. Das stimmt inzwischen nicht mehr. Mit dem neuen X20-Motor geht‘s sehr wohl noch leichter und auch komfortabler. Komplettgewichte bei E-Rennvelos deutlich unter zehn Kilos sind keine Utopie mehr. Gefallen haben ausserdem die neuen magnetischen Steckverbindungen, mit denen sich das Hinterrad mit Nabenmotor noch einfacher ausbauen lässt.
Trek Fuel EXe: neuer TQ-Kleinmotor
Mit dem Fuel EXe sticht Trek in das wachsende Segment der Leicht-E-MTBs. Das EXe wird von einem neuen, nur faustgrossen Kleinmotor des deutschen Herstellers TQ-Systems angetrieben. Bisher war TQ bekannt als «Drehmoment-Weltmeister». 120 Nm stemmte das bereits 2014 vorgestellte Aggregat «HPR 120S». Beim HPR 50 sind‘s noch die Hälfte. Dafür wiegt das gesamte E-Antriebssystem mit 360 Wh-Akku nur 3900 Gramm. Damit werden E-Bike-Gewichte um 16 kg möglich.
Neuer Yamaha PW-X3-Motor
Die etablierten E-Bike-Motorenhersteller geben mächtig Gas, um keine Marktanteile zu verlieren. Auch der japanische Motorrad-, Musikinstrumente- und Heimelektronikhersteller Yamaha präsentiert bereits die dritte Revision seiner erfolgreichen PW-X E-Bike-Motorenserie. Die Leistungsdaten sind dabei in etwa gleich geblieben. Nach wie vor stemmt der PW-X3 wie sein Vorgänger 85 Nm auf die Tretlagerwelle. Das Volumen konnte aber um 20 Prozent verringert werden und auch das Gewicht sank um zehn Prozent auf 2,75 Kilo. Vor allem die geringeren Abmessungen schaffen mehr Autonomie bei der Integration in den Rahmen. Verbessert wurden ausserdem Sensorik und Bedienkonzept. Der PW-X3 verfügt nun auch über einen automatischen Trailmodus, der je nach Geländeart und Pedalfrequenz die Kraftzugabe automatisch regelt.
RMag-System von Amprio
Nach Bosch, Brose, Mahle, Sachs, Fazua, TQ und Continental bringt nun mit Amprio ein weiterer grosser deutscher Hersteller aus der Automobilbranche mit dem RMag einen neuen E-Bike-Motor; besser gesagt: ein neues System bestehend aus Motor, verschiedenen Akkus und Displays. Alleinstellungsmerkmal des RMag ist, dass der Zentralmotor bereits mit 48 Volt läuft, während die meisten anderen grossen Zentralmotorhersteller noch immer auf 36 Volt schwören. Die Amprio GmbH ist innerhalb der Motorservice Gruppe – die Vertriebsorganisation für die weltweiten Aftermarket-Aktivitäten von Rheinmetall – der Spezialist für Pedelec-Antriebssysteme. Die 1889 gegründete Rheinmetall wiederum ist ein deutscher Elektronik, Wehr- und Automobiltechnik-Konzern mit 24‘000 Mitarbeiern, die 2021 einen Umsatz von 5,7 Milliarden Euro erwirtschaftet haben.
Text: Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 2/2022