Maxon will mit dem «Bikedrive Air» den Markt der leichten E-Bike-Zentralantriebe aufmischen. Im Interview mit easybiken erzählt Geschäftsführer Eugen Elmiger, wie es dazu gekommen ist. Durchaus auch selbstkritisch, denn das Obwaldner Elektronikunternehmen zählte einst zu den E-Bike-Pionieren, hat daraus bis heute aber noch zu wenig Kapital geschlagen.
Mit der Beteiligung am Bau des Mars-Rovers der US-Weltraumbehörde Nasa erlangte Maxon internationales Renommee. Was viele nicht wissen: Das Schweizer Elektronikunternehmen mit eigener Produktion in Sachseln zählte auch zu den Pionieren bei der E-Bike-Entwicklung. 1961 von den Gebrüdern Braun unter dem Namen «Interelectric Sachseln» gegründet, stellte das Unternehmen in der Gründerzeit zunächst Scherfolien für die weltbekannten Braun-Rasierer her. Dieser Geschäftsbereich wurde jedoch ausgelagert und Maxon konzentrierte sich fortan auf die Entwicklung elektromechanischer Geräte beziehungsweise hochwertiger Elektromotoren, Getriebe und Steuerungen. Im Zuge der weltweiten Erdölkrise tüftelte man in Sachseln bereits in den 1970er Jahren an Elektromotoren für Fahrräder. Aber erst im Jahr 2000 erlangten die elektrischen Bauteile von Maxon für den österreichischen «Gruber-Assist» Serienreife. Doch das Konzept mit einem Elektromotor, der im Sattelrohr eingebaut wird und direkt aufs Tretlager wirkt, wurde mit einsetzendem E-Bike-Boom von den grossen Zentralmotorherstellern Panasonic, Yamaha und Bosch verdrängt. Trotz weweisender Konzepte, die von der Konkurrenz adaptiert und gewinnbringend vermarktet werden, konnte Maxon auch mit ihrem eigenen E-Bike-Nabenantrieb «Bikedrive MX25» bisher nicht in gewünschtem Masse reüssieren. Mit dem leichten Zentralantrieb «Bikedrive Air» soll sich das nun ändern.
Eugen Elmiger, mit einem Augenzwinkern haben Sie mal gesagt, dass die Mars-Rover-Entwicklung ein Kinderspiel war, verglichen mit der des Elektroantriebs fürs Fahrrad. Worin lagen die Schwierigkeiten?
Eugen Elmiger: Die Entwicklung der Mars-Antriebe war natürlich kein Kinderspiel und nahm mehrere Jahre in Anspruch. Was ich damit meinte, ist: Die Rahmenbedingungen auf dem Mars sind relativ klar. Ein Mountainbike-Antrieb dagegen wird bei allen Wetter- und Temperaturbedingungen auf jedem Terrain von den unterschiedlichsten Leuten gefahren. Da ein Pflichtenheft zu definieren, damit der Antrieb hält und möglichst vielen Leuten Spass macht, ist eine echte Herausforderung.
Wie waren die Reaktionen, als die ersten Muster des Bikedrive Air publik wurden?
Durchs Band positiv. «Endlich mal kein Panzer», war ein oft gehörtes Lob, denn E-Bikes wiegen mit herkömmlichen Zentralantrieben heute meist deutlich mehr als 20 Kilo. Mit dem Bikedrive Air dagegen sind Gesamtgewichte beim Mountainbike um 15,5 Kilo möglich. Beim Rennrad sind‘s sogar nur 10,5 Kilo.
Welche Bestandteile des Bikedrive Air wird bei Maxon entwickelt und gebaut?
Der ganze Motor-Getriebe-Antrieb stammt von Maxon. Das Getriebe kommt aus unserem Werk in Süddeutschland. Zusammengebaut und getestet wird das ganze System in der Schweiz auf der speziell dazu entwickelten Produktionslinie.
Maxon blickt auf eine lange Tradition als Zulieferer von Elektromotoren für Schaltungen und E-Bike-Antriebe zurück. Liefert Maxon noch immer die Stellmotoren für die elektronische Campagnolo-Schaltung und den Motor für den Gruber-Assist, der als Vorläufer moderner E-Bike-Antriebe gilt?
Die Stellmotoren für die Campagnolo-Super-Record-EPS-Schaltgruppen liefern wir nach wie vor. Und auch die Getriebemotoren für den Gruber-Assist haben wir geliefert. Die ersten Gruber-Assist datieren auf das Jahr 2000 zurück. Damals noch mit 120 Watt Dauerleistung, die wir dann mit der nächsten Generation und einem weiterentwickelten Maxon Spezial-Getriebe auf 200 Watt erhöht haben.
Wie stark beziehungsweise in welchen Bereichen spürt Maxon in Corona-Zeiten die Abhängigkeit vom Ausland?
Die Grundmaterialien wie Magnete und andere Rohstoffe kommen aus dem Ausland, weil wir in der Schweiz keine eigenen Vorkommen haben. Wir spüren gewisse Verzögerungen vor allem bei den Elektronikkomponenten; ebenso bei den Kunststoffen, die wir aus Asien beziehen. Aber wir haben grosse, gut gefüllte Lager für die strategisch wichtigen Ausgangsprodukte.
Wie viele Bikedrive Air planen Sie zu produzieren?
2021 werden es 250 Stück sein. Nächstes Jahr wollen wir mindestens 500 produzieren. Ab 2023 haben wir eine Kapazität für bis zu 12‘000 Einheiten jährlich.
Das komplette Interview gibt es im Magazin easybiken. Die Ausgabe 2•2021 lässt sich online bestellen.
Interview: Martin Platter, Fotos: Maxon
aus: easybiken, Heft Nr. 2•2021