Der «Kassensturz»-Bericht über die Service-Qualität an E-Bikes, der Ende April ausgestrahlt wurde, stellte den getesteten Betrieben kein gutes Zeugnis aus: Viele Mängel blieben unentdeckt. Das wirft die Frage auf: Wie kommt man als Kunde zu gutem Service?
Es war eine neue Erfahrung, als Experte an einem Werkstatttest der SRF-Sendung «Kassensturz» teilzunehmen. Als Mechanikermeister wusste ich, dass man beispielsweise nie alle Testfahrzeuge haargenau in denselben Gebrauchszustand versetzen kann. Dank der Zustimmung von Geschäftsführer Stefan Meissen durften wir freundlicherweise einige E-Bikes aus der Flotte von Rent-a-Bike in die Testreihe aufnehmen. Es waren Occasionsfahrzeuge, die fachmännisch zum Verkauf aufbereitet waren – die meisten mit neuen Bremsen und Ketten. Im Test zeigte sich dann, dass Werkstätten dennoch neue Bremsklötze einbauten – oder dies zumindest empfahlen. Doch dazu später mehr.
Fehler in die E-Bikes eingebaut
Bei den sechs eingebauten Fehlern ging es nicht darum, mit seltenen oder realitätsfernen Mängeln die Werkstätten blosszustellen. Ganz bewusst habe ich in die E-Bikes Schwächen eingebaut, die beim täglichen Fahren entstehen, und die bei der Auftragserteilung «bitte Service machen» eigentlich gefunden werden müssten: Ein loser Scheinwerfer, der viel zu hoch eingestellt ist und so den Gegenverkehr blendet; ein loses Lenklager, das beim Überfahren von Randsteinen erbärmlich scheppert; ein loser Radsensor, der die E-Bike-Elektronik irgendwann lahm gelegt hätte; eine grosse Acht im Hinterrad, hervorgerufen durch vier gelöste Speichen; deutlich unterschiedlicher Luftdruck vorne und hinten, um zu schauen, ob der Luftdruck geprüft wurde und eine gelängte Kette auf einem ansonsten aber tadellosen Antrieb. Das heisst: Die Kette hätte problemlos getauscht werden können – ohne den Ersatz von Ritzeln. Zudem waren die Akkus nur teilweise geladen und die Pedelecs recht schmutzig.
Mit einigen der E-Bikes fuhr ich am Vorabend mit angezogenen Bremsen durch den Schmutz, damit man nicht sah, dass die Bremsscheiben brandneu – also ohne Reibspuren – und die Bikes eigentlich viel zu sauber für einen Service waren. Beim Einbau der Mängel hat mich SRF-Redaktor Philippe Odermatt noch gefragt, ob die Fehler nicht zu einfach seien. Mal schauen. Wir brachten die neun E-Bikes in den Service zu verschiedenen Velogeschäften. Als wir die Zweiräder wieder in Empfang nehmen durften, kamen wir dann ziemlich in Staunen. Anfügen muss ich, dass SRF die Werkstätten auswählte. Leider war keine einzige dabei, die die neue «all-ride»-Zertifizierung des 2-Rad-Branchenverbands aufwies, die guten Service verspricht.
Bremsscheibe braucht eine Mindestdicke
Bei der Abgabe stellten wir uns dumm. Wir wollten hören, was uns empfohlen wurde. Und das war zuweilen ziemlich abenteuerlich. In einer Werkstatt meinte die Person bei der Reparaturannahme: «Bei diesen Bremsen läuft Metall auf Metall.» Was natürlich überhaupt nicht stimmte. Die Bremsen waren neu. Da es aber tatsächlich nicht ganz einfach ist, den Abnutzungsgrad der Bremsklötze von aussen zu beurteilen, haben wir die Bremsen extra nicht in den Testkatalog aufgenommen. Ausgemessen haben wir sie aber dennoch. Um zu kontrollieren, ob allenfalls zu viel oder zu wenig gemacht wird. Auch zu wenig geht, denn die Bremsscheiben dürfen eine Mindestdicke nicht unterschreiten. Diese ist beim Shimano beispielsweise 1,5 Millimeter. Der Hinweis steht sogar als Lasergravur auf der Bremsscheibe. Man muss also nicht mal in den technischen Spezifikationen nachschauen. Doch selbst die beiden Bremsscheiben, die Untermass hatten (also dünner waren als 1,5 Millimeter), blieben im Service unentdeckt.
Teilweise unnötige Zusatzkosten
Die Metall-auf-Metall-Äusserung zeigt die Vorgehensweise, die wir mehr als einmal feststellten: Man jagt der Kundschaft Angst ein, um den Boden für unnötige Arbeiten zu ebnen. Das mag gut für den Umsatz des Geschäfts sein, schadet aber dem Portemonnaie der Zahlenden. Zudem ist es ethisch fragwürdig und fördert die unnötige Ressourcenverschwendung, wenn neue Teile ausgewechselt werden. Bei der gelängten Kette bekamen wir mehr als einmal zu hören: «Da muss der gesamte Antrieb ausgetauscht werden. Also auch die vorderen Kettenblätter und das hintere Ritzelpaket.» Je nach Qualität der gewählten Ersatzteile kann das Zusatzkosten in Höhe von 80 bis 280 Franken auslösen. Es gibt jedoch einen simplen Weg, um zuverlässig zu testen, ob die Ritzel noch tragen. Neue Kette montieren und auf der Probefahrt jeden einzelnen Gang unter Pedaldruck testen. Trägt die Kette tatsächlich nicht auf allen Ritzeln, kann der Kunde immer noch entscheiden, ob er den gesamten Antrieb wechseln will.
Die vielen unentdeckten Mängel hinterlassen einen schalen Nachgeschmack und die Frage: Ist es sinnvoll, einen vorsorglichen Service zu machen? Nimmt man den Werkstatttest als Referenz, muss man sagen: eher nicht. Wie aber kann man verhindern, dass man für wenig Leistung viel bezahlt? Indem man Interesse zeigt, zurückfragt und kritisch ist. easybiken hat eine Checkliste zusammengestellt, wie die wichtigsten Abnutzungserscheinungen selber festgestellt werden können. Es kommt definitiv günstiger, die Werkstatt mit genau definierten Arbeiten zu beauftragen und es nicht bei der allgemeinen Auftragserteilung «Service machen» zu belassen.
Die ausführliche Checkliste ist im Magazin easybiken, Heft Nr. 2•2020 zu finden. Die Ausgabe lässt sich online bestellen.
Text und Fotos: Martin Platter
aus: easybiken, Heft Nr. 2•2020